Einführende Rede anlässlich der Vernissage zur Ausstellung
Facetten der Weib I Ich keit
Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Frankfurt e.V.
11. Oktober 2019
Sehr geehrte Gäste, liebe Künstlerinnen
heute haben wir die Ehre, Kunstwerke von 14 Künstlerinnen des BBK Frankfurt sehen zu dürfen zum Thema: Facetten der Weiblichkeit
Das Layout der Einladungskarte zeigt, dass das Wort „Weiblichkeit“ in mehrere Unterteilungen zergliedert ist. Dabei richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf zwei Wortelemente: Nämlich auf das Wort Weib und das Wort Ich. Diese Teilung/Trennung ist aber in der Substanz eine nur scheinbare; es geht vielmehr um den gesamten Bezugsrahmen zum Thema - Facetten der Weiblichkeit, in dem deutlich werden soll, dass es um ergänzende Wesensqualitäten – dem Prinzip der Ganzheit geht. Facetten sind feine Flächenbearbeitungen bei Edelsteinen, sie bringen den Stein erst im Zusammenwirken zum Glänzen.
Die Vielfältigkeit der Kunstwerke in dieser Ausstellung zeugen von der Auseinandersetzung mit den Themen: Wer bin ich als Frau? Individuell und als Teil der Gesellschaft? Was verstehe Ich unter Weib/ Weiblich-keit? Wie positioniere Ich mich als Frau und Künstlerin in diesem Sujet? Und – vor allem, wie bringe ich es mit meiner künstlerischen Gestaltungskraft zum Ausdruck?
Um die Bedeutung der heutigen Präsentation von Frauen einordnen und würdigen zu können, ist ein kurzer Blick auf die Entwicklungsgeschichte von Frauen im Kunstbetrieb angebracht. Was heute für uns selbstverständlich ist, nämlich, dass Frauen Kunst machen – ihre Kunst zeigen - war nicht immer so.
Mit meiner provokanten Frage - Welches Geschlecht hat die Kunst? - ahnen Sie vielleicht worauf ich hinauswill?
Die Historie des letzten Jahrhunderts belegt, dass Frauen hinsichtlich ihres künstlerischen Schaffens mit großen gesellschaftlichen Widerständen und Barrieren zu kämpfen hatten - und auch heute noch haben.
Dabei ist es nicht nötig bis in die Antike zurückzuschauen, da wurde Frauen nicht mal eine Seele zugestanden. Nein, nur ein paar Jahre, so um das ausgehende 19. /Anfang 20. Jahrhundert, also zeitgeschichtlich und gefühlt gerade mal vorgestern könnte man sagen.
Frauen waren in der damaligen Zeit abhängig von der Zustimmung ihrer Väter und Ehemänner, wenn sie sich überhaupt künstlerisch betätigen wollten. Und wenn ja, dann nur zum Zeitvertreib. Ihre Kunst wurde im gesellschaftlichen Kontext schlicht übersehen, als amateurhaft und dilettantisch diffamiert. Diese Meinung war gesetzt und diente vor allem den Künstlerkollegen, Frauen vom künstlerischen Bildungsanspruch fernzuhalten.
Dilettantismus liege der weiblichen Natur zugrunde.
Mit dieser Begründung wurde Frauen die Aufnahme an Kunsthoch-schulen bis 1919 versagt. Paradox war, dass ihnen eine fehlende künstlerische Begabung und die fehlerhafte Darstellung von Körperproportionen vorgeworfen wurde, ihnen aber gleichzeitig eine Ausbildung und Teilnahme an Akt- und Anatomiekursen verboten wurde.
Das gesamte Kulturestablishment bemühte sich über Jahrzehnte, Frauen als Rivalinnen zu bekämpfen und sie für kunstuntauglich zu erklären. Ich erinnere an Paula Modersohn – Becker, Gabriele Münter, Frida Kahlo, Margarete Keane. Waren sie wider Erwarten erfolgreich, wurden sie von ihren Ehemännern, Galeristen, ihrem Mäzen oder Entdecker oft finanziell ausgebeutet.
Die Häme kannte keine Grenzen, so wurde kolportiert, dass Frauen, sollten sie es wagen, ihren männlichen Künstlerkollegen nachzueifern, ihre harmonische Geschlossenheit zerstören und dieses zu Verkümmerung und Krankhaftigkeit führen kann.
Es gab zwar Nischen für Frauen in privat gegründeten Damenakademien oder Malerinnenschulen, deren Besuch allerdings mit extrem hohen Kosten verbunden war. So betrug Schulgeld in dieser Zeit 300 Mark und 375 Mark für die figürliche Malklasse. Dazu kamen alle anderen Kosten. Viel Geld für die damalige Zeit und somit nur den Kindern wohlhabender Familien vorbehalten.
Noch 1950 stellte der für die damalige Zeiten sehr populäre Kunstkritiker Karl Scheffler einem Kollegen die Frage:
„Waren Sie bei Käthe Kollwitz? Ihre Sachen beweisen, dass ein Künstler auch mal aus Versehen als Frau geboren werden kann.“
Und wenn Sie denken, das war doch früher, lange vorbei! So muss ich Sie leider enttäuschen. Die zeitgenössische japanische Performance- und Aktionskünstlerin, Yoko Ono, musste jahrzehntelang weltweit einen nie da gewesenen Shitstorm als Frau über sich ergehen lassen, dass selbst ihr Mann, John Lennon, sagte, dass dieser Hass alles übertreffe, was er jemals erlebt habe.
Ja, es hat Fortschritte gegeben; natürlich können Frauen heute Künstlerinnen sein, sie können studieren und auf Ausstellungen ihre Kunst zeigen. Fakt ist aber auch, dass nur 10% aller Künstlerinnen auf großen internationalen Ausstellungen zu finden sind. In vielen Museen sind sie unterrepräsentiert und die hohen Preise auf dem Kunstmarkt werden vor allem von männlichen Künstlern erreicht. Galerien beklagen, dass sich Kunst von Frauen schlechter verkaufen lässt. Es gibt sie also noch die Ressentiments der Kunst von Frauen Qualität zuzugestehen. Zum Beleg ein Zitat von Georg Baselitz, 2013 im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“
„Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt. Es gibt natürlich Ausnahmen Agnes Martin (Anmerkung: eine amerikanische Künstlerin) oder aus der Geschichte Paula Modersohn Becker. Aber auch sie ist kein Picasso, kein Modigliani und auch kein Gougin.“
Und deshalb ist es nach wie vor notwendig, dass Frauen in der Kunst sichtbar werden! Dass sie sich zeigen und ihrer Kunst eine wertschätzende Stimme geben wird.
Wie heute, hier im BBK. 14 Künstlerinnen zeigen gemeinsam ihre Werke in der Malerei, in Bildhauerei, Druckgrafik, Zeichnungen, Collagen, Fotografie, Performance und Videoinstallationen. Sie alle dokumentieren beeindruckend die Facetten der Weiblichkeit.
Zum Schluss die Frage an Sie, verehrte Gäste: Was ist für Sie „Weiblichkeit“? Sprechen Sie mit den Künstlerinnen und genießen Sie den Abend.